Das institutionelle Gedächtnis einer Organisation, das ihre seine Entstehung, Erfolge, und Herausforderungen aufzeigt, ist grundlegend für die Überprüfung der Ziele und für die Gewährleistung der anhaltenden Relevanz der Organisation. Die nachfolgende Darstellung soll dies für GNARP leisten.
- Aspekte des deutschen Bestandsaufbaus
- Ursprung des Deutschen Demonstrationsprojektes und des Deutschen Ressourcenprojektes
- Tätigkeiten der ursprünglichen Arbeitsgruppen
- Die aktuelle Satzung und die Neugestaltung der Arbeitsgruppen
1. Aspekte des deutschen Bestandsaufbaus
Die deutsch-nordamerikanische Bibliotheksgemeinschaft (GNARP) zählt zu den Projekten des Netzwerks Globaler Ressourcen. Wie andere Projekte des Netzwerks Globaler Ressourcen, steht auch die GNARP vor speziellen Herausforderungen bei dem Erwerb von Ressourcen für nordamerikanische Bibliotheken. Deutschsprachige wissenschaftliche Publikationen sind zahlreich und international bedeutsam. In vielen Disziplinen, wie z.B. in der Archäologie, der biblischen Studien, der Altertumswissenschaft, der Linguistik, der Philosophie und der Musik, ist die Kenntnis der deutschen Forschung eine Voraussetzung für die Beherrschung des Fachgebietes. Deutschland, ein Land kritischer und anspruchsvoller Leser, publiziert jährlich mehr neue Titel als die USA, obwohl seine Bevölkerung um zwei Drittel geringer ist als die der Vereinigten Staaten. Das deutsche Verlagswesen ist gut organisiert, aber der Umfang bedeutender wissenschaftlicher Publikationen aus Deutschland stellt eine besondere Herausforderungen für nordamerikanische Bibliotheken dar, welche die Produktion an wissenschaftlichen Publikationen aus den deutschsprachigen Ländern adäquat sammeln wollen.
Bibliotheksetats haben im Laufe der letzten zwanzig Jahren nicht mit dem Wachstum der deutschsprachigen Forschung Schritt halten können. Angesichts steigender Preise für deutsche Bücher und der Stärke der deutschen Währung gegenüber dem US-Dollar, mussten nordamerikanische Bibliotheken das Niveau ihrer Erwerbsquoten für deutschsprachige Büchern und anderen Publikationen stark einschränken. Auch größere nordamerikanische wissenschaftliche Bibliotheken haben erkannt, dass die systematische Erwerbung aller deutschsprachigen Ressourcen in den Geistes- un Sozialwissenschaften, aus finanziellen und administrative Gründen, unmöglich geworden ist. Mit der zunehemenden Effizienz der Fernleihe, inklusive der internationalen Fernleihe, verlassen sich viele Bibliotheken zunehmend auf diese Methode, um ihrem Bedarf an wissenschaftlicher Literatur aus Deutschland nachzukommen.
2. Ursprung des Deutschen Demonstrationsprojektes und des Deutschen Ressourcenprojektes
Aus den oben genannten Gründen entschloß sich das Netzwerkes Gloabler Ressourcen im Jahre 1992, seine Aktivitäten auf deutschsprachigen Ressourcen zu erweitern. Im Bewusstsein der Notwendigkeit einer wirksameren Ressourcenverteilung und Zusammenarbeit zwischen Bibliotheken, ist es das Ziel der Netzwerkes Globaler Ressourcen, u.a. mithilfe der Anwendung von neuen Technologien, interdependente Strukturen zum Bestandsaufbau zu födern und zu gestalten. Die Umorientierung auf Zugang zu Materialien statt primär auf den Erwerb derselben soll die Investitionen der Bibliotheken in die deutschsprachige Wissenschaft maximieren. Durch diese Umorientierung können die Bibliotheken mehr Mittel für die Finanzierung von effektiven Verfahren zur Ermittlung eines spezifischen Informationsbedarfs und der Entwicklung von innovativen Methoden der Fernleihe und Dokumentenlieferung einsetzen. Die finanzielle Unterstützung der Andrew W. Mellon Stiftung hat im Sommer 1998 ein Treffen von nordamerikanischen und deutschen Bibliothekaren in der Library of Congress ermöglicht, um die Ziele und langfristigen Pläne des neu gegründeten Deutschen Ressourcen Projektes zu erarbeiten. Mit diesem Treffen begann ein einjähriges Projekt zur Verbesserung des Zugangs zu Forschungsmaterialien an den beteiligten Bibliotheken, der Erarbeitung von Vereinbarungen zum Aufbau deutsch-nordamerikanischer digitaler Sammlungen, und der Vereinfachung von Dokumentenlieferungen. Dr. Elmar Mittler von der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek übernahm die Leitung des Projektes in Deutschland und war Gastgeber der zweiten Zusammenkunft, die 1999 in Göttingen stattfand. Die Finanzierung durch die A.W. Mellon Stiftung setzte den Abschluß von deutsch-nordamerikanischen Verträgen für den Bestandsaufbau in Gang, förderte die Verbesserung der Dokumentenlieferung, und resultierte zudem in einem Bericht über die Möglichkeiten, den Zugang zu deutschen digitalen Materialien und Online-Publikationen zu verbessern.
In dieser Phase der Umorientierung stand das Projekt unter dem gemeinsamen Vorstand von Sarah Thomas von der Cornell University und Winston Tabb von der Library of Congress. Roger Brisson von der Pennsylvania State University fungierte als Koordinator. Neben seiner Aufgabe als Koordinator der Projektentwicklung, übernahm er auch die Rolle der Verbindungsperson zu den Kollegen in den deutschen Bibliotheken, die strategische Partner des Projektes wurden. Innerhalb eines Jahres traten 35 Bibliotheken dem Projekt der ARL (Association of Research Libraries, dem Verband der nordamerikanischen Forschungsbibliotheken) bei. Die Satzung wurden 2001 verabschiedet und Tom Kilton von der Univeristy of Illinois und Lou Pitschmann von der University of Wisconsin teilten gemeinsam den Vorstand. Unter ihrem Nachfolger, Jeff Garrett, von der Northwestern University, erhielt das Projekt seinen neuen Namen, German-North American Resources Partnership (GNARP--der deutsche Name ist offiziell Deutsch-Nordamerikanische Bibliotheksgemeinschaft, DNABG), um das Konzept des beiderseitigen Nutzens widerzuspiegeln, das die Tagungen in Washington, DC und Göttingen initiiert hatte.
3. Tätigkeiten der ursprünglichen Arbeitsgruppen
Nachdem man sich von der ursprünglichen Idee des Projektes, einer Kooperation beim Bestandsaufbau von gedruckten Ressourcen, entfernt hatte, identifizierte die neu geschaffene Arbeitsgruppe für Bestandsaufbau Datenbanken, für die sie im Anschluß Lizenzen für die nordamerikanischen Mitgliedsbibliotheken aushandelte: xipolis, DigiZeitschriften und die Bibliographie der deutschen Sprach- und Literaturwissenschaft, sowie die Bibliographie Linguistischer Literatur (BLLDB) konnten somit nordamerikanischen Benutzern zugänglich gemacht werden. Im Geiste der Partnerschaft stellte sich die Frage, welchen Nutzen die Lizenzen den deutschen Partnern bringen könnten -- abgesehen von den urheberrechtlichen Einkünften für die Rechteinhaber. Aus dieser Überlegung entstand die Idee der Kontaktpartnerschaften. Nach dem Vorbild des deutschen Systems der Sondersammelgebiete, d.h., der verteilten Verantwortung für Bestandsaufbau, wurde vorgeschlagen, daß die für die Sondersammelgebiete verantwortlichen deutschen Referenten mit einem entsprechenden amerikanischen Fachreferenten gepaart würden. Beide sollten als Kontaktperson für einander fungieren und die amerikanischen Fachreferenten sollten das relativ diffuse und verwirrende Feld der Sammelschwerpunkte in Nordamerika den deutschen Partnern vermitteln. Nach diesem Modell hat GNARP Konferenzen in Deutschland (in München und Frankfurt/Main) organisiert, wo die jeweiligen Kontaktpartner ihre Sammlungen in den Bereichen der Südasien- und Afrikakunde sowie der Judaistik vorgestellt haben.
Auch die anderen Arbeitsgruppen konnten Erfolge verzeichnen. Die Arbeitsgruppe für Dokumentenlieferung hat einen Rahmenvertrag für die elektronische Lieferung von Zeitschriftenartikeln über die Universitätsbibliothek Göttingen entworfen (GBVdirekt). Die Lieferung von schwer zu beschaffenden deutschen Artikeln in den Geistes- und Sozialwissenschaften war ein bedeutender Gewinn für amerikanische Forscher, aber es zeigte sich auch ein erstaunlicher Bedarf an Artikeln im Bereich der Naturwissenschaften. Unterschiedliche Interpretationen des Urheberrechts und deren Verwertung machten das System schliesslich unhaltbar und es mußte, auf Druck von internationalen Verlagskonzernen, beendet werden. Für einige Jahre bestand die Hoffnung, daß die Probleme gerichtlich geregelt werden können, aber im Jahr 2007 wurde das System und die Arbeitsgruppe aufgehoben. Die transatlantische Fernleihe wird mancherorts gepflegt, aber sie benötigt keine Regelung durch GNARP.
Die Arbeitsgruppe für bibliographische Kontrolle hat über mehrere Jahre als ein Forum der Konsultation zwischen nordamerikanischen und deutschen Bibliothekaren gedient. Die Gruppe hat eine Übersetzung der Anglo-amerikanischen Katalogregeln II ins Deutsche fertiggestellt und eine Besprechung zum Vergleich der deutschen und amerikanischen Katalogisierungsverfahren während der GNARP-Konferenz in Frankfurt organisiert. Es stellte sich aber heraus, dass die wichtigsten deutsch-amerikanischen Gespräche und Entscheidungen im Bereich der Formalerschließung in anderen Gremien, insbesondere IFLA, verliefen. Aus diesem Grund wurde die Arbeitsgruppe suspendiert. Eine ähnliche Feststellung erfolgte für die Arbeitsgruppe für digitale Bibliotheken: obwohl die Gruppe nützliche Gespräche, wie zum Beispiel über Standards für digitale Biblotheken führen konnte und als Forum zur Informationsvermittlung über den Atlantik diente, werden Entscheidungen über internationale Zusammenarbeit und digitale Entwicklungen anderswo getroffen. Die Arbeitsgruppe für digitale Bibliotheken hat sich hauptsächlich auf die verhandlung von Lizenzen zu deutschen Datenbanken konzentriert, was zu einer Verschmelzung der Arbeitsgruppe mit der Arbeitsgruppe für den Bestandsaufbau geführt hat. Die Arbeitsgruppe für den Bestandsaufbau führt nun diese Tätigkeit, zusammen mit Besprechungen über Drucksachen und anderen Materialien weiter. Die Idee der Kontaktpartnerschaften konnte leider die Erwartung einer größeren Zusammenarbeit über den Atlantik nicht erfüllen.
>4. Die aktuelle Satzung und die Neugestaltung der Arbeitsgruppen
GNARP’s Satzung räumt der Organisation Flexibilität in der Berufung und Aufhebung von Arbeitsgruppe ein. GNARP, sowie andere Projekte des Netzwerks Globaler Ressourcen, wirken heute unter der Schirmherrschaft des Center for Research Libraries (CRL, Zentrum für Forschungsbibliotheken), einer Organisation von Mitgliedsbibliotheken, die den gemeinsamen Bestandsaufbau und gegenseitigen Zugriff auf Ressourcen zum Ziel hat. Um die Verwaltungskosten von GNARP zu decken und um GNARPs Aktivitäten mit den Zielen der Gesamtorganisation zu koordinieren, leisten nordamerikanische GNARP Mitglieder einen bescheidenen jährlichen Beitrag. Dieser Beitrag fällt für ausländische und insbesondere deutschsprachige Bibliotheken nicht an. GNARP hat wiederholt die Gelegenheit wahrgenommen, durch Teilnahme an den Deutschen Bibliothekartagen potentielle Arbeitsgebiete zu erkunden, bei denen GNARP eine nützliche Rolle für deutsche Fachkollegen spielen könnte. Eine neue Arbeitsgruppe für den bibliothekarischen Fachaustausch entstand 2008. Auf dem Deutschen Bibliothekartag in Erfurt im Juni 2009 wurde eine Webseite vorgestellt, die amerikanische Bibliotheken auflistet, die bereit sind, deutsche Bibliothekspraktikanten zu empfangen. Die öffentliche Arbeitssitzung von GNARP in Erfurt hat erneut Interesse geweckt, eine Arbeitsgruppe für deutsche Fachreferenten der Amerikanistik zu organisieren.